
Dr. Falk Berster im Interview mit Jessica Schramböhmer.
Herr Dr. Berster, welche besonderen Herausforderungen seht ihr, wenn es darum geht, hoch qualifizierte Fachkräfte für ein international führendes Medizintechnikunternehmen wie Ottobock zu gewinnen?
Dr. Falk Berster: Du fragst ja nach den besonderen Herausforderungen… Ich könnte jetzt von allgemeinen sprechen wie jeder, Stichwort War for Talents.
Aber die besonderen Herausforderungen sehe ich bei uns in zwei Themenbereichen: Zum einen das Thema Bekanntheit. Ottobock ist ein absoluter Weltmarktführer und Vorreiter in unserer Branche. Die Branche ist aber schwerpunktmäßig B2B-lastig, weniger B2C-lastig, auch wenn wir das gerade ändern.
Das heißt, das Thema Bekanntheit bei der relevanten Zielgruppe, also hoch qualifizierte Fachkräfte, ist für mich ein Thema. Zum anderen, wie du es angesprochen hast: der regionale Standort Duderstadt mag für den ein oder anderen auf den ersten Blick nicht so attraktiv sein wie eine Großstadt zum Beispiel Berlin, München oder Hamburg.
Zusammengefasst sind das für mich zwei besondere und zentrale Herausforderungen für das Unternehmen. Daher ist Employer Branding für uns essenziell. Hier muss Ottobock stark sein, sonst verlieren wir gegen Unternehmen, die stärker in der Öffentlichkeit stehen.
Wir setzen deshalb mittlerweile viel Energie im Bereich HR auf Employer Branding, mit eigenen Kolleginnen und Kollegen, die sich ausschließlich darum kümmern. Wir sind auf Fachmessen präsent, aber auch natürlich auf Hochschulmessen, bei Auswahltagen an Universitäten und verstärkt in den sozialen Medien, wie beispielsweise mit einem eigenen YouTube-Kanal. Das ist nötig, um uns entsprechend unserer Markstellung auch in der Wahrnehmung potenzieller neuer Kolleginnen und Kollegen zu positionieren.
Wie gelingt euch der Spagat zwischen internationaler Strahlkraft und der Attraktivität als Arbeitgeber in Duderstadt? Gibt es regionale Herausforderungen und wie meistert ihr diese?
Der Spagat ist in der Tat vorhanden: Auf der einen Seite sind wir ein absolutes Hightech-Unternehmen mit starker Strahlkraft nach außen. Auf der anderen Seite aber auch mit dem Charme des Regionalen und das muss man auflösen.
Ich denke, wenn zukünftige Kolleginnen und Kollegen erst einmal bei uns sind, dann sind sie schnell begeistert von unserem Purpose: Menschen in Bewegung zu bringen und wieder am Leben teilhaben zu lassen. Das ist so stark, dass es für viele den Ausschlag gibt.
Ein Instrument, das uns sehr geholfen hat, sind die Paralympics, die unsere Leistungen nach außen tragen. Sie zeigen, für was wir hier arbeiten. Zudem haben wir eine sehr familiäre Atmosphäre. Auf der einen Seite Weltmarktführer mit fast 10.000 Mitarbeitenden, auf der anderen Seite ein sehr familiäres Umfeld.
Das löst den Spagat in meinen Augen gut auf, aber erleben kann man es eben nur vor Ort. Einem Hochschulabsolventen in München die familiäre Atmosphäre von Duderstadt zu erklären, ist schwer. Deshalb bleibt das eine Herausforderung.
Ottobock steht für Hightech und Innovation. Wie stellt ihr sicher, dass sich diese Innovationskraft auch in der Unternehmenskultur und im Recruiting widerspiegelt?
Innovation liegt in der DNA von Ottobock. Seit 1919 lebt das Unternehmen von Innovation und ist Hightech getrieben, immer wieder gibt es neue Ideen. Um das im Alltag zu fördern, haben wir zum Beispiel die „The Garage“-Innovation Challenges etabliert.
Dabei werden Problemstellungen an die Mitarbeitenden herangetragen, die Ideen einreichen können. Diese werden bewertet, in einem strukturierten Prozess kaskadiert und schließlich vor dem Topmanagement präsentiert, inklusive spürbarer und attraktiver Prämien. Im Recruiting selbst ist es für uns wichtig, dass Bewerber innovationsoffen sind. Das prüfen wir nicht nur im Gespräch, sondern auch in einer zweiten Runde über Fachaufgaben oder Mini-Challenges. So merken wir, wie jemand denkt und Probleme angeht.
Bauchgefühl spielt eine Rolle, aber über diese Aufgaben können wir sehr gut einschätzen, ob jemand wirklich zum innovativen Mindset von Ottobock passt.
Innovation liegt in der DNA von Ottobock.
Welche Maßnahmen sind für euch entscheidend, um Mitarbeitende langfristig an Ottobock zu binden und ihnen gleichzeitig Entwicklungsperspektiven zu bieten?
Ottobock hat sich stark geöffnet, insbesondere durch die Erfahrungen aus Corona. Wir bieten Homeoffice und hybride Modelle an, die sich etabliert haben. Zudem gleichen wir das regionale Headquarter Duderstadt mit unserem großen Hub in Berlin aus.
Das bedeutet: Wer in Duderstadt arbeitet, kann auch in Berlin wohnen und umgekehrt. Das macht uns attraktiv für unterschiedliche Lebensentwürfe. Viele Kolleginnen und Kollegen in Berlin hätten wir nach Duderstadt nicht bekommen, so binden wir Talente trotzdem an Ottobock.
Darüber hinaus spielt unsere globale Aufstellung eine große Rolle: Mitarbeitende können internationale Erfahrungen sammeln, in andere Länder gehen oder umgekehrt Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland bei uns begrüßen. Diese Flexibilität und Globalität machen uns zukunftssicher und tragen zu einer geringen Fluktuation bei.
Was bedeutet die Transformation in der Arbeitswelt, Stichworte wie New Work, Fachkräftemangel und Digitalisierung? Was habt ihr in der Entwicklung der letzten Jahre bis heute erlebt und was denkst Du, wird sich noch ändern?
Die Transformation erleben wir sehr direkt: New Work, hybride Modelle und internationale Mobilität sind heute gelebte Realität bei Ottobock. In den letzten Jahren hat sich die Offenheit stark vergrößert.
Wir haben gelernt, dass flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice und internationale Zusammenarbeit nicht nur möglich, sondern auch erfolgreich sind. Ich glaube, dieser Weg wird sich weiter verstärken.
In Zukunft wird es noch wichtiger sein, global zu denken, agil zu reagieren und gleichzeitig die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Denn die Attraktivität von Ottobock lebt davon, dass wir Hightech mit echter Sinnhaftigkeit verbinden und so Mitarbeitende gewinnen und halten.
Zusatz:
Welche Wünsche oder Erwartungen hast du als Führungskraft an die interne HR-Abteilung, damit Recruiting für deine Fachbereiche noch erfolgreicher wird?
Ein wichtiger Punkt für mich ist die Nähe von HR zum Fachbereich. Bei uns im Marketing haben wir es so gelöst, dass unsere HR-Business-Partnerin fest in unseren Leitungskreis integriert ist. Dadurch haben wir einen engen Austausch. Sie versteht was uns wichtig ist und welche Menschen uns nach vorne bringen. Grundsätzlich glaube ich, dass es wichtig ist, das HR zum Beispiel einmal mit dem Vertrieb nach Draußen geht, beim Kunden dabei ist oder in einer Werkstatt steht, um zu sehen, wofür wir Kolleginnen und Kollegen suchen. Nur so lassen sich die passenden Menschen finden. Das ist für mich ein Bereich mit großem Potenzial.
Das Gespräch zeigt: Recruiting bei einem globalen Medizintechnikführer wie Ottobock bedeutet, zwischen internationaler Strahlkraft und regionaler Verwurzelung die Balance zu halten. Innovation, Arbeitgeberattraktivität und Nähe zwischen HR und Fachbereichen sind dabei die Schlüssel für nachhaltigen Erfolg.